Seit ich mich erinnern konnte, begleitet mich ein Gleichnis, das Bild von einem Fluss mit zwei Ufern. Als junge, heranwachsende Frau sah ich mich auf der einen Seite des Flusses. Erst die Erfahrung von Schwangerschaft und Geburt würde mich auf die andere Seite des Flusses bringen, so war meine Vorstellung. Diese Erfahrung stand für mich sinnbildlich für die Überquerung des Flusses, – einem Initiationsritual gleich. In meiner verklärten Vorstellung machte dieses Erlebnis uns erst zu Frauen und führte uns zu unserer biologischen Bestimmung. In meinem Verständnis von weiblicher Identität stellte die Überquerung eine entscheidende Rolle dar, denn sie bedeutete die körperliche Verwirklichung meines Frauseins.
Mich faszinierte die Vorstellung von Empfängnis, Schwangerschaft und Geburt, ein Prozess, in dem der weibliche Körper dem Heranwachsen neuen Lebens dient. Der sich langsam wölbende Bauch, die anschwellenden Brüste, der Körper von Hormonen geflutet, die einen schützen, Mutter und Kind verbinden und schließlich auf die Geburt vorbereiten.
In all den Jahren des Versuchens habe ich ein noch stärkeres Bewusstsein für meinen Körper entwickelt. Die Ebbe und Flut meines Zyklus‘, die heranreifenden Follikel wie auch meine Gebärmutter. Alles habe ich gespürt und meinen Körper dabei wie einen Kompass erfahren. Deshalb schmerzt es besonders, meinen Körper nie in seiner biologischen Bestimmung erlebt zu haben. Ich habe den Fluss nicht überqueren können.
So unbedingt wollte ich wissen, wie es ist, Leben in sich zu spüren, die Regungen eines heranwachsenden Wesens in sich zu verfolgen, dieser graduelle Prozess bis zum Zeitpunkt der Geburt. Dann der Moment der ersten Berührung, das Kennenlernen, das Anlegen an die Brust. Ich sehnte mich nach diesem Wunder. Oft habe ich davon geträumt.
Für mich stellte das Zeugen eines gemeinsamen Kindes nach dem Liebesakt die absolute Erfüllung einer Liebesbeziehung dar. Wir würden ein Wesen aus Dir und mir in den Armen halten. Du und ich. Das habe ich mir immer gewünscht. Es schmerzt, und wird es immer tun.
So bleibe an diesem Ufer des Flusses, denn meine Aufgabe liegt auf dieser Seite.
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