„Haben Sie Kinder?“ – diese scheinbar harmlose Frage kann Gräben aufreißen und Abgründe auftun. „Nein ich habe leider keine Kinder.“ Mit dem Zusatz leider mache ich deutlich, dass ich ungewollt kinderlos bin. Denn Kinder zu haben war ein ganz großer Lebenstraum von mir und eigentlich eine Gewissheit, mit der ich groß geworden bin. Keine Kinder zu haben, war für mich gleichbedeutend mit Scheitern und Versagen. Man nimmt gemeinhin an, dass Kinder zu bekommen etwas ist, das man einfach entscheiden kann und dann passiert es. Etwas das vom Willen gesteuert wird und dann eintritt. Und wenn man es nicht schafft, dann geht man zum Arzt. Denn die moderne Medizin, so glaubt jeder, kann inzwischen fast alles möglich machen.
Mein ganzes Leben hatte ich mit der Gewissheit gelebt, eines Tages eigene Kinder zu bekommen. Ich hatte keinen Zweifel, das dies irgendwann selbstverständlich eintreten würde. Ich würde Mutter werden, wie meine Mutter, Großmütter, und alle anderen Mütter auf der Welt. Doch es kam ganz anders. Es wurden viele Jahre des leidvollen und ergebnislosen Versuchens. Ich blieb nicht schwanger und es kam kein Kind. Mein wichtigstes Lebensziel konnte ich nicht erreichen. Auch nicht mit medizinischer Hilfe, oder so viel davon, wie ich in Anspruch zu nehmen bereit war.
Heute im Rückblick und in dem Versuch dieses schwierige Kapitel in meinem Leben zu verarbeiten, frage ich mich, was habe ich falsch gemacht, oder was ist zu welchem Zeitpunkt schiefgelaufen? Was hätte ich gebraucht und welche Voraussetzungen wären für mich hilfreich gewesen? Zunächst hatte mir das teilnahmslose medizinische Umfeld zugesetzt. Wie kann es sein, dass in einem Bereich, in dem physische Themen sich so unmittelbar auf die Seele auswirken, so wenig Einfühlungsvermögen oder psychologische Begleitung flankierend und automatisch angeboten wird?
Die nüchtern-pragmatische Vorgehensweise fand ich abstoßend. Ärzte behandelten mich, als hätte ich etwa ein Problem mit meinen Knien, oder irgendeinem nicht funktionierenden Körperteil, und nicht, als ginge es um einen Lebensentwurf und den möglichen Verlust einer Lebens-Gewissheit. Wenn man kein Kind bekommt, ist eine Diagnose über die mögliche Ursache unerlässlich; aber genauso wichtig ist der psychologische Umgang mit der Betroffenen, für die eine Welt zusammenbricht, eine Gewissheit einstürzt, der Sockel, auf dem sie stand. Ich werde Mutter werden, ich werde Kinder haben und eine Familie gründen. Kein Wolkenkuckucksheim, sondern einfach eine Normalität für den Großteil der Menschheit. Kinder zu bekommen und sich fortzupflanzen gehört zum Mensch-Sein. Manche entscheiden sich dagegen, anderen ist es nicht wichtig, aber unerträglich ist es für diejenigen, die diese Selbstverständlichkeit für sich in Anspruch nehmen möchten, aber aussortiert werden. Es ist wie ein Urteil: Du nicht. Du bekommst kein Kind.
Es ist ein Schicksalsschlag. Der Lebensentwurf, das Selbstverständliche, das normalen Funktionen wie Essen, Schlafen und Trinken gleichkommt, tritt nicht ein, ohne dass man etwas daran ändern kann. Kein Kind heißt keine Fortpflanzung, keine Weiterentwicklung, kein Wachstum. Der Familienbaum stirbt mit deinem Ast aus. Sackgasse. Bruch. Für Menschen wie mich, die davon geträumt haben und sich ihr Leben lang darauf gefreut hatten, ist es eine Katastrophe.
Ich blieb kinderlos. Um dieser schmerzvollen Situation einen Sinn zu geben, begann ich darüber zu schreiben.
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